Berthold Goldschmidt
Berthold Goldschmidt, geboren am 16. Januar 1903 in Hamburg, lebte seit 1935 in London (seit 1947 englischer Staatsbürger). Der Sohn eines Hamburger Kaufmannsehepaares studierte ab 1922 an der Berliner Musikhoch-schule Komposition bei Franz Schreker sowie Dirigieren bei Rudolf Krasselt und Julius Prüwer. Mit seiner Passacaglia für Orchester op. 4 gewann er 1925 den Mendelssohn-Preis. Nachdem er 1925 als Assistent Erich Kleibers die Uraufführung von Bergs "Wozzeck" mit vorbereitet und an den ersten Aufführungen als Celesta-spieler teilgenommen hatte, brachte ihm das Jahr 1926 mit 3 Uraufführungen erste Durchbrüche als Komponist: Passacaglia (Kleiber) und 1. Streichquartett (Deman-Quartett) in Berlin, Ouvertüre "Komödie der Irrungen" (in der damaligen Form verschollen) beim Tonkünstlerfest Chemnitz.
Ein auf Empfehlung Schrekers und Kleibers geschlossener Dauervertrag mit der Universal Edition führte u.a. zur Publikation des 1. Streichquartetts, der Klaviersonate und der ersten Oper "Der gewaltige Hahnrei" (nach Fernand Crommelyncks "Le Cocu magnifique"), 1927 ging Goldschmidt als musikalischer Berater und Dirigent mit Carl Ebert nach Darmstadt, 1931 in gleicher Funktion zurück nach Berlin (Städtische Oper). Seine Werke fanden um 1930 im In- und Ausland Interesse, so die Klaviersonate beim Genfer IGNM-Festival 1929. "Der gewaltige Hahnrei" wurde 1932 in Mannheim uraufgeführt und für die Saison 1932/33 in Berlin annonciert. Die nationalsozialistische Machtergreifung zerstörte alle künstlerischen Perspektiven. 1935 emigrierte Goldschmidt nach England, wo er nach mühevollem Neuanfang 1938 für das (ebenfalls emigrierte) Kurt Jooss-Ballett die Musik zu "Chronica" schrieb (Aufführungen in Europa und den USA). 1944-47 war er musikalischer Leiter in der deutschen Abteilung der BBC; nach der Etablierung als Dirigent (Edinburgh International Festival 1947) arbeitete er mit führenden britischen Orchestern zusammen. "Beatrice Cenci" (nach Percy B. Shelleys "The Cenci"), mit der Goldschmidt erfolgreich am Opernwettbewerb für das Festival of Britain 1951 teilnahm, wurde erst 1988 (London, konzertant) bzw. 1994 (Magdeburg, szenisch) uraufgeführt. Nachdem im Exil wichtige
Werke wie das 2. Streichquartett, die Ciaccona Sinfonica und drei Konzerte entstanden oder vollendet worden waren, wurden 1958 die Mediterranean Songs für fast ein Vierteljahrhundert zum letzten Werk Goldschmidts, der bei den kompositorischen Diskussionen im Nachkriegs-Deutschland keine Beachtung mehr gefunden hatte. In England setzte er sich nachhaltig für Mahler ein: Er leitete die erste komplette englische Aufführung der 3. Symphonie und beriet Deryck Cooke bei der Erstellung einer Konzertfassung der 10. Symphonie, die er 1964 in London uraufführte.
Nach der Schaffenszäsur entstand 1982/83 zunächst das Klarinettenquartett, dem seither etliche weitere Werke folgten. In den 80er-Jahren fand Goldschmidt in Österreich, den USA, Deutschland und anderen europäischen Ländern zunehmend Beachtung: 1994/95 gingen "Der gewaltige Hahnrei" (Berlin, Bern) und "Beatrice Cenci" (Magdeburg) in Szene und erschienen auf CD, hinzu kamen zahlreiche Aufführungen und Aufnahmen anderer Werke. Goldschmidt starb am 17. Oktober 1996 in seiner Londoner Wohnung.
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